Auf der Seite liegend, Hüfte abgeknickt, die Knie leicht angewinkelt, der den Kopf haltende Arm scheinbar lässig auf die Nackenrolle gestützt: Fehlt nur noch der laszive Blick und fertig ist eine räkelnde Position, die der Film als zu der erotischen Pose schlechthin auserkoren hat. Das mit dieser Pose untrennbar scheinend einzugehende Möbelstück ist die Chaiselongue. Heute ist sie leider nur noch selten anzutreffen. Warum eigentlich?

Die Geschichte der Chaiselongue

Dass ausgerechnet die oben beschriebene Pose sich bis heute in der darstellenden Kunst gehalten hat, ist kein Zufall. Der Vorgänger der Chaiselongue, der Klimt, ziert bereits seit der Antike Bildhauereien und zeigt historische Persönlichkeiten in vornehm-lässiger Haltung. Möbelstück oder Pose, wer kam zuerst? Henne oder Ei – diese Frage kann wohl nicht abschließend geklärt werden. Fest steht, dass sowohl Liegetechnik als auch Möbeldesign seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden als attraktiv empfunden wird.

War die Chaiselongue noch im letzten Jahrhundert zumindest in Film und Theater ein beliebter Teil von Bühnenbild bzw. Setting, verschwindet sie immer mehr von der Bildfläche. Dabei sieht, wer auf der Chaiselongue fläzt jederzeit wie formvollendet drapiert aus. Eine Ästhetik, von der man meinen möchte, sie sei wie geschaffen für die von Instagram und Co. geschulten Augen fotoverrückter Generationen. Heute hat das Sofa die Chaiselongue fast vollständig aus unseren Inneneinrichtungen verdrängt. Warum kehren wir einem der etabliertesten Möbeldesigns der Menschheitsgeschichte den Rücken zu?

Warum die Chaiselongue aus der Einrichtung verschwindet

Liegt es an der Identität der Chaiselongue, die so fluide ist wie ihr Aussehen? Ihr Aussehen scheint in Gänze ästhetischen, nicht aber Kriterien der Praktikabilität unterworfen zu sein. Sie bietet weniger Komfort als ein Sofa, ja selbst als eine klassische Liege, kann keinen Stuhl ersetzen, lässt sich allerdings ebenso wenig als Bett gebrauchen.

Wissen wir schlicht nicht, wie wir uns auf dem Möbel niederlassen sollen? Sind wir zu prüde für die Pose, die uns der Film lehrt oder ist alles eine Sache der Gemütlichkeit? Zu wenig Chill-Potenzial, zu sehr aufs Aussehen bedacht? Wer hätte gedacht, dass wir bei der Wahl der Möbel so Augenmerk auf die vermeintlichen ‘inneren’ Werte legen. Doch genau das könnte ein Irrtum sein.

Was die Psychoanalyse mit der Chaiselongue zu tun hat

Denn lange Zeit galt die Chaiselongue als das Möbel der Psychoanalyse. Teils Schutz bietend und sich doch ans Außen richtend mit der Möglichkeit, den Kopf in den Nacken zu legen und gen Himmel bzw. Decke zu starren, bietet die Chaiselongue dem darauf Sitzenden eine Reihe Merkmalen, um sein Heil in der Regression zu suchen. Unterstützt sie uns die hohe Kunst des wahrhaft freien Assoziierens zu erlernen und zu praktizieren? Vielleicht liegt ihr Niedergang dann im Niedergang der Psychoanalyse begründet. Riss sie Chaiselongue mit in den Abgrund? Kann das Wiedererstarken der Psychoanalyse sie retten? Ein paar Jahre (oder Jahrzehnte) wird es wohl noch dauern, bis wir Gewissheit haben. Vielleicht haben wir Glück und der bereits aufkeimende Maximalismus kann sie in unsere Wohnzimmer zurückholen.

Möbel der Upper Class?

Vielleicht, aber nur ganz vielleicht liegt das Verflachen unseres Interesses an der Chaiselongue an ihrem nicht zu verleugnenden, etwas elitären Charakter. Unpraktikabel ist sie, dafür aber formschön und teuer: Kaum ein anderes Möbelstück schreit Upper Class und Luxus wie der ‘lange Stuhl’. Ihr natürliches Habitat ist heute das Museum, das Atrium, ein Schloss oder eine Villa in Zehlendorf. Eines ist die Chaiselongue keinesfalls: Vernünftig und bodenständig. Sie ist zum Kunstobjekt geworden, dass sich endgültig aus den Häusern der breiten Masse verabschiedet hat und ein flüchtiges Dasein als Sehnsuchtsobjekt auf er Mattscheibe fristet – Schade eigentlich.

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